Am Mittwoch, dem 11. September 2024, passierte etwas, womit keiner gerechnet hat: Ein 100 Meter langer Abschnitt der Carolabrücke in Dresden stürzte frühmorgens in die Elbe. Gerade war noch ein weißer Lieferwagen auf der gegenüberliegenden Fahrspur unterwegs, und nur Minuten zuvor war die letzte Straßenbahn drübergerollt. Und so nahm einer der dunkelsten Tage in der jüngeren Stadtgeschichte seinen Lauf. In den Tagen danach bin ich mehrmals mit meiner Kamera in die Altstadt gefahren und habe den Einsturz sowie die Umgebung festgehalten. Die Bilder findest du weiter unten im Beitrag.
Bedeutung der Carolabrücke für Dresden
Die Carolabrücke ist eine von sieben Elbbrücken in Dresden, davon vier in der Innenstadt. Täglich fuhren mehr als 31.000 Autos und die Straßenbahnlinien 3 und 7 über die Brücke. Selbst wenn sie durch die Autobahn A17 ein wenig entlastet wurde, war sie trotzdem immer eine wichtige Verbindung zwischen Altstadt und Neustadt.
Die Brücke ist auch ein beliebter Treffpunkt während der Filmnächte am Elbufer. Viele Dresdner genießen hier kostenlos Konzerte von Top-Künstlern – das ist nun erstmal vorbei.
Die Geschichte der Carolabrücke
Die ursprüngliche Carolabrücke wurde zwischen 1892 und 1895 erbaut und nach Königin Carola von Sachsen benannt. Optisch ähnelte sie der heutigen Augustusbrücke mit ihren Sandsteinbögen, allerdings hatte sie noch größere Ausbuchtungen und Pavillons. Leider wurde sie – wie viele andere Sehenswürdigkeiten in Dresden – im Zweiten Weltkrieg zerstört. Aber nicht durch Luftangriffe, sondern von der SS, die versuchte, die vorrückende Rote Armee zu stoppen.
Nach dem Krieg entschied sich die DDR für einen nüchternen Betonbau. 1967 begann der Bau der „neuen“ Carolabrücke, die dann 1971 pünktlich zum SED-Parteitag fertig wurde. Mit einer Gesamtlänge von 375 Metern überspannte sie 120 Meter der Elbe. Die Brücke bestand aus drei Teilen: Teil A für den Autoverkehr, Teil B und C für Fußgänger und Straßenbahnen.
Folgende Bilder von Jörg Blobelt zeigen die Dr. Rudolf-Friedrichs-Brücke bei bzw. nach ihrer Fertigstellung in der DDR. Sie wurde nach dem damaligen Dresdner Oberbürgermeister Rudolf Friedrichs benannt. Diesen Namen trug das Bauwerk noch bis ins Jahr 1991.
(Bilder von Jörg Blobelt creator QS:P170,Q28598952, 19710630100NR Dresden Carolabrücke über die Elbe, CC BY-SA 4.0)
Sanierungsarbeiten vor dem Einsturz
Wie viele Brücken in Deutschland war auch die Carolabrücke in die Jahre gekommen. Ab 2019 wurde der Brückenzug A auf Vordermann gebracht: neue Fahrbahnbeläge, breitere Gehwege und modernisierte Fahrradwege – die Instandsetzung kostete rund 6 Millionen Euro. Bis 2024 wurde dann auch der Brückenzug B mit modernem Carbonbeton verstärkt. Aber der belastete Brückenzug C war weiterhin ein Sorgenkind, und eine Sanierung für 2025 bis 2026 war bereits geplant. Doch dazu kommt es jetzt leider nicht mehr.
Der Einsturz am 11. September 2024 – Was war passiert?
Am 11. September, mitten in der Nacht, stürzte ein 100 Meter langes Teilstück der Carolabrücke samt Straßenbahngleisen in die Elbe. Dabei wurde auch eine wichtige Fernwärmeleitung zerstört. Der Einsturz war für viele ein Schock, aber zum Glück passierte das Ganze in den frühen Morgenstunden, sodass niemand verletzt wurde.
Es war ein merkwürdiger Tag für Dresden, der vielen noch lange im Gedächtnis bleiben wird. So wie man sich daran erinnert, was man am 11. September 2001 gemacht hat, werde auch ich in 20 Jahren noch wissen, was ich an diesem Tag gemacht habe.
Den Moment, als meine Freundin morgens um 6 Uhr auf ihr Handy schaute und mir sagte: „Martin, die Carolabrücke ist eingestürzt“, werde ich nie vergessen. Noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke.
Die Ursache des Einsturzes ist noch nicht vollständig geklärt, aber verschiedene Theorien werden diskutiert:
- Temperaturschwankungen: Ein schneller Wechsel von 30°C am Tag zu 10°C in der Nacht könnte die Stahlseile der Brücke überlastet haben.
- Straßenbahnen zu schwer?: Einige spekulierten, dass die neuen Straßenbahnen zu schwer seien. Tatsächlich wiegen sie aber weniger als die alten Modelle.
- Korrosion: Vermutlich führten Rostschäden am Brückenteil C zum Zusammenbruch. Die Untersuchungen vor Ort deuten darauf hin, dass die Korrosion der Stahlteile eine Hauptursache war.
- DDR-Taumittel: Besonders aggressive Streumittel aus DDR-Zeiten könnten ebenfalls zur Schädigung der Brücke beigetragen haben.
- Streustromkorrosion: Mangelhaft geerdete Oberleitungen könnten schädliche elektrische Ströme verursacht haben, die die Brücke schwächten.
Wahrscheinlich war es eine Kombination mehrerer Faktoren, die zum Einsturz führte.
Der Abriss beginnt unter Hochwassergefahr
Während die Stadt noch mit dem Einsturz kämpfte, drohte bereits die nächste Gefahr: Hochwasser. Durch heftige Regenfälle in Tschechien und Sachsen stieg der Pegel der Elbe rasch an. Am 15. September lag der Wasserstand mittags bei 4,55 Metern, und einen Tag später schon bei 5,52 Metern – Tendenz steigend.
Um die Trümmer noch rechtzeitig zu beseitigen, rückten 13 Bagger an und begannen, das Ufer zu beräumen. Während viele neugierige Dresdner die Bauarbeiten verfolgten, konnten die großen Brückenteile in der Elbe selbst noch nicht entfernt werden.
Sanierung oder Neubau der Carolabrücke?
Was mit der Carolabrücke passieren wird, ist noch unklar. Da die übrigen Teile ebenfalls stark beschädigt wurden, wird ein kompletter Neubau diskutiert. Die Kosten dafür werden auf rund 100 Millionen Euro geschätzt, teilweise soll der Bund das Vorhaben mitfinanzieren. Eine teilweise Freigabe der Brücke halte ich (ohne über Expertenwissen zu verfügen) persönlich für unwahrscheinlich – das Risiko, dass weitere Teile nachgeben, scheint einfach zu groß.
Der Vergleich mit der Waldschlösschenbrücke zeigt, dass ein Neubau Zeit brauchen wird. Die Waldschlösschenbrücke wurde nach sechs Jahren Bauzeit und für 74 Millionen Euro eröffnet – wir können also damit rechnen, dass auch der Bau einer neuen Carolabrücke viel Zeit in Anspruch nehmen wird.
Auswirkungen auf den Verkehr in Dresden
Trotz des Einsturzes ist Dresden gut aufgestellt: Die Stadt hat immerhin sechs weitere Elbbrücken, über die der Verkehr umgeleitet werden kann. Fußgänger und Radfahrer nutzen die Augustusbrücke, die für Autos gesperrt ist. Autofahrer weichen auf die Albertbrücke oder die Waldschlösschenbrücke aus.
Auch für den öffentlichen Nahverkehr gibt es Lösungen: Die Straßenbahnlinien 3 und 7 fahren nun über die Augustusbrücke. Der Elberadweg in Höhe der Carolabrücke ist gesperrt, sodass Pendler einen Umweg über den Carolaplatz in Kauf nehmen müssen.
Die Schifffahrt ist ebenfalls betroffen. Die Weiße Flotte hat ihre touristischen Fahrten erstmal eingestellt, und einige Schiffe wurden nach Riesa verlegt. Der Güterverkehr auf der Elbe ist aktuell zum Stillstand gekommen.
Eine Brücke kann man ersetzen, Menschenleben nicht
Auch wenn der Einsturz der Carolabrücke ein harter Schlag für Dresden ist, kann man am Ende von Glück reden: Niemand wurde verletzt, und es gab keine Toten. Egal, was die genaue Ursache für den Einsturz war – Menschenleben sind unersetzlich. Eine Brücke kann man wieder aufbauen, und irgendwann wird der Verkehr wieder normal fließen. Bis dahin bleibt Dresden flexibel und findet Lösungen, um auch ohne die Carolabrücke den Alltag zu meistern.
Bilder der Carolabrücke: Früher und heute
Zum Abschluss möchte ich dir eine Auswahl meiner Bilder der Carolabrücke zeigen, die ich über die Jahre gemacht habe – von den Jahren und Monaten vor dem Einsturz bis hin zu den aktuellen Aufnahmen nach dem Unglück. Die Fotos sind chronologisch geordnet, in der Reihenfolge ihrer Entstehung.
Weitere schöne Bilder zeige ich dir in meinen Beiträgen mit den besten Dresden-Fotospots in der Altstadt und außerhalb des Stadtzentrums. Ich hoffe, sie gefallen dir!
Jahr 2016
Bilder aus 2016, als wir mit dem Dampfer in die Sächsische Schweiz gefahren sind.
Jahr 2018
Dieser Blick von der Brühlschen Terrasse entstand beim Dresdner Stadtfest 2018 – im Hintergrund ist gut die Carolabrücke zu erkennen.
Jahr 2019
Diese Fotos sind nicht mit einer Drohne entstanden, sondern von der Kuppel-Aussichtsplattform der Frauenkiche.
Jahr 2020
Die Carolabrücke bei Nacht und im Winter.
Jahr 2021
Im Winter 2021 ist dieses Bild entstanden. Die Brücke ist nur klein am Rand zu erkennen, aber immerhin.
Jahr 2022
Leider habe ich aus diesem Jahr nur dieses Foto vom Clueso-Konzert. Auf der Brücke sind im Hintergrund etliche Zuhörer zu erkennen.
Jahr 2023
Dafür habe ich 2023 umso mehr Bilder mit der Carolabrücke geschossen.
Jahr 2024
Nun kommen die Bilder aus dem laufenden Jahr. Leider alle nach dem Einsturz entstanden.