Machen wir uns nichts vor, der Großteil der unter 30-Jährigen ist chronisch handysüchtig. Und die unter 40 bestimmt auch. Mit 37 Jahren zähle ich zur zweiten Altersgruppe und kann meinen kleinen Taschencomputer kaum aus der Hand legen. Hier mal schnell was googeln, dort noch fix ein Foto schießen oder Mutti ein lustiges Video von tanzenden Katzen per Whatsapp schicken. In der Küche, auf dem Klo, einfach überall. Stunden von vergeudeter Zeit, möchte man meinen – und das jeden Tag! Da es mental sowieso gerade nicht rund läuft bei mir, habe ich mir gedacht, dass ein Blitz-Detox-Programm ganz nützlich sein könnte. 7 Tage ohne Handy und das völlig freiwillig. Eine Woche lang das Handy an einen Ort packen, wo keine Sonne scheint. Ob ich diesen Selbstversuch am Ende bereuen werde?
Tag 1 ohne Handy – nur noch schnell das Internet “leer lesen”
Es geht los! Mein selbst auferlegter Handyverzicht startet. Na ja, fast. Am Morgen lese ich noch mal die Nachrichtenseiten leer, wie ich es meistens vor dem ins Bett gehen und nach dem Aufwachen tue. Klingt schon ungesund, ist es wahrscheinlich auch.
Dann erledige ich noch diverse Sachen, die nicht warten können: Aufs Bankkonto schauen, Lotto spielen, eine Verabschiedung auf Instagram an meine treue Fangemeinde von sage und schreibe über 900 Followern richten. 🤳
Mir dämmert schon, dass für einige Sachen das Smartphone unverzichtbar sein wird. Tan-Nummern gibt es aus der Bank-App auf dem Handy. Fürs Online-Lotto kommt die Tan ebenfalls per Pushnachricht reingerauscht. Auf was hab ich mich da eingelassen?
Im Laufe des Tages verspüre ich hin und wieder den Drang, zum Handy zu greifen und die wichtigsten Fragen des Lebens bei Google einzugeben. Doch ich halte tapfer durch!
Tag 2 ohne Handy – sind das schon Entzugserscheinungen?
Es war eine unruhige Nacht. Deutlich vor dem Weckerklingeln (irgendwann zwischen 5 und 6 Uhr) wälze ich mich nur noch auf dem Kissen hin und her. Irgendwie fühle ich mich etwas unruhig und merkwürdig gerädert. Da ich nicht trinke, fällt das als Begründung schon mal raus.
Möglicherweise hängt es mit meinem ADHS zu tun, was mit Schlafproblemen einhergeht. Ich werde sehen, was die nächsten Nächte bringen. 💤
Um 06:30 Uhr habe ich schon alle (3) Raubtiere (Katzen) gefüttert, die Katzenklos* gereinigt, Zähne geputzt und den Rechner hochgefahren. Erster Paukenschlag! Normalerweise dattle ich noch ewig am Handy rum und mach erstmal gar nix.
Vorsichtshalber mache ich noch ein Selfie im Spiegel, um mein altes, zugequollenes Ich zu dokumentieren (siehe Titelbild).

Ansonsten gibt es keine großen Auffälligkeiten zu berichten. Abgesehen davon, dass es nicht mal eben möglich ist, mich bei Trade Republic einzuloggen und im Browser die Aktien zu checken. Funktioniert nicht. Nada. Niente. Der Login-Bestätigungscode kommt per SMS. Uff.
Beim abendlichen Kochvorgang leihe ich mir das Handy meiner Gutsten, aber nur zum Youtube Music hören. Ich schaue nicht drauf oder mache irgendwas damit. Sonst schaue ich beim Schnippeln die Videos meiner Lieblings-Youtuber, was mich ganz schön aufhält. Kochzeit gut und gerne fast halbiert…Wahnsinn. Fragt mich meine bessere Hälfte etwa deshalb immer, warum ich so lange in der Küche brauche?
Tag 3 ohne Handy – beim Einkaufen: Ist das laaaaangweilig…
Ich halte eisern durch. Kein Blick aufs Handy, nicht mal der Versuch, es heimlich anzuschalten.
Es ist Samstagmorgen und wir gehen in die Stadt Klamotten kaufen. Nicht für mich, ich bin nur der edle Ritter, der die 15 Teile zur Umkleide tragen darf. 😉
Üblicherweise dauern Anproben ewig und so vertreibe ich mir meistens die Zeit damit, diverse Kameranews zu suchten oder mir bei der ‘Bild’ die neuesten Horrormeldungen aus aller Welt reinzuziehen. Schlimm, schlimm, ich weiß. 🫣
Jetzt stehe ich nur da, blicke teilnahmslos mit glasigen Augen auf die Umkleidekabine, in der meine Freundin ein Teil nach dem anderen durchprobiert. Ab und zu wackelt der Vorhang und in seltenen Fällen beteiligt sie mich am Auswahlprozess.
Zwischendrin gehen mir Gedanken durch den Kopf wie: “Hoffentlich denken die anderen Kundinnen nicht, ich bin ein Spanner!” Oder “Verhalte dich möglichst unauffällig, es ist bald vorbei”.
Ich würde lügen, wenn ich behaupte, das macht mir Spaß. Highlight des Vormittages ist der Bezahlvorgang im Bershka. Eine Selbstbedienungskasse, deren Funktionsweise ich erst nicht richtig kapiere. Aber dann…die elektronischen Plastiksicherungsdingsbumse SELBST entfernen. Das war mal was Dolles.
Tag 4 ohne Handy – Ruhe, nichts als Ruhe
Am vierten Tag meiner “7 Tage ohne Handy”-Challenge merke ich langsam, wie gut mir die Handypause tut.
Ich schwinge mich auf mein mintgrünes Fahrrad und fahre zu meinen Eltern. Eine Fahrtzeit von gut 45 Minuten, wenn ich schnell bin. Wenn nicht, dauert es auch schon mal eine Stunde. Diese Zeit überbrücke ich üblicherweise mit Musik im Ohr und schönem Noise Cancelling, um ja nichts von meiner Umgebung mehr mitzubekommen (außer dem Verkehr natürlich :-P). 🚴♂️
Jetzt rolle ich über den Radweg, höre jedes Brummen, Bimmeln und Knirschen des Wintersplits unter den Reifen. Auch von der Kälte (-5°C Außentemperatur) kann mich die nicht vorhandene Beschallung diesmal nicht ablenken.
Irgendwie fühle ich mich komisch und bin froh noch eine Sonnenbrille auf der Nase zu haben, denn der eisige Wind treibt mir die Tränen in die Augen. Das letzte Stück schiebe ich die bergige Straße hoch und schaue mir genauestens die Häuser an, was ich sonst nie tue.
Mit meinen Eltern unterhalte ich mich über die Handy-freie Zeit. Sie sagen: “Das machen wir auch so. Wir schauen nur ab und zu für Whatsapp und Emails drauf.” Diese Anfang-60er haben weder Facebook noch Instagram, schon gar kein TikTok und überstehen trotzdem irgendwie den Tag. Bewundernswert. 😲
Am Nachmittag fahren wir zum Schloss Pillnitz und gehen spazieren. Während ich zwischen meinen beiden Elternteilen durch den Park laufe wie ein zu groß geratenes Kind, das von der Schule abgeholt wird, bemerke ich, wie schön die Natur eigentlich ist. Bäume treiben ihre ersten Frühlingsknospen aus, die Vögel zwitschern und ich sinniere mit Mutti und Vati über das Leben als digitale Detoxer.
Ich würde dir ja nur zu gern Bilder zeigen, aber ich hab ja kein Handy mehr! 😂 Also hier ein Archivbild…

Als ich nach Hause aufbreche, ist es bereits zappenduster. Ich rolle auf dem Elbradweg und lasse mich von den Lichtern der Dresdner Innenstadt berieseln, die auf der anderen Elbseite leuchten. Ich liebe es, im Dunkeln Fahrrad zu fahren. Was für eine Stille, ich hab nur mich, meine Gedanken und meinen Leuchtkegel, um keinen Passanten versehentlich umzusägen. 🪚
Ach ja…Netflix schauen. Meist bekomme ich die Hälfte der Handlung nicht mit, weil ich damit beschäftigt bin, noch durch den Facebook-Feed zu scrollen oder anderen sinnlosen Kram am Handy zu machen. Der neue handylose Martin aber ist anders – er genießt die Actionszenen in “Tyler Rake: Extraction” (ein mega Film übrigens) mit Sexgott Chris Hemsworth in vollen Zügen. Okay, mein ADHS verhindert immer noch, dass ich wirklich ALLES mitkriege, aber den größten Teil hab ich tatsächlich in mich aufgesogen. 🌪️
Tag 5 ohne Handy – ich vermisse nichts (auch nicht beim Sport)
Schon am Vortag habe ich meinen Eltern gesagt, dass ich mein Handy kein Stück vermisse. Ich bin einfach nicht erreichbar und das ist auch gut so. Ich will gar nicht ständig bei Whatsapp reinschauen und irgendwelche weitergeleiteten, teils nicht jugendfreien Memes einschlägiger Familienmitglieder sehen.
Stattdessen wartet eine neue Herausforderung auf mich: Der Gang ins Fitnessstudio. Ja ja, das ist eine Hassliebe. Einerseits ist es meine “Me-Time”, andererseits komme ich beim Sport zu nüscht, wenn ich den Sachen lausche, die ich mir bei Youtube runtergeladen habe. Unweigerlich wandert die Hand in Trainingspausen zum Smartphone – es könnte ja doch was passiert sein. 📱
Doch diesmal ist alles anders. Ich habe kein Handy einstecken. Ich habe keine Kopfhörer im Ohr. Die einzige Musik, die ich höre, ist die, die aus den Lautsprechern im FitX donnert. Mit bleibt nichts anderes übrig, als mich meinen abstrusen Gedankengängen hinzugeben.
Wie nicht anders zu erwarten war, trainiere ich konzentriert. Es gibt einfach keine Ablenkung, die mit ihren drahtigen Fingern frohlockt. 📵
Ein herrliches Gefühl. Inzwischen denke ich darüber nach, mein neumodisches Handy gegen einen alten Handyknochen alá Nokia 3210 einzutauschen. Nur für den Notfall. Meine Freundin holt mich allerdings auf den Boden der Tatsachen zurück – wie war das noch mal mit Onlinebanking, Lotto und Co.? Plan erstmal zu den Akten gelegt.
Tag 6 ohne Handy – das Kartenhaus bröckelt
Heute bewahrheitet sich, dass so viele Sachen ohne Smartphone gar nicht funktionieren. Am Morgen greife ich das erste Mal zum Handy, um einen Google-Sicherheitscode per SMS in Empfang zu nehmen.
Die Gelegenheit nutze ich direkt, um noch einen Lotto-Quicktipp abzugeben – klappt nur mit TAN. Aber wenn danach der Jackpot winkt, habe ich kein schlechtes Gewissen! Handy wieder aus.
Bis zum Mittag arbeite ich konzentriert und gehe mit meiner Freundin spazieren. Ohne riesen Handy, das mir die Hosentasche ausbeult. Ein herrliches Gefühl, nicht jeden Furz zu googeln oder zu fotografieren. 📸
Am späten Nachmittag schalte ich das Handy erneut an und werde mit einem freundlichen “Hello Moto”-Ton begrüßt. Mietwagenbuchung bei Check24 für die anstehende Mallorca-Reise. Davor muss ich aufs Konto schauen, ob genug Geld drauf ist. Du ahnst es schon – dafür brauche ich eine TAN.
Nach ein paar Sekunden ist das Handy auch schon wieder aus und verschwindet in der Schublade.
Beim abendlichen Vollbad cheate ich leider etwas und öffne mir ein Youtube-Video auf dem Tablet. Schande über mein Haupt. Aber ich muss mich ja auch nicht geiseln. 😉
Tag 7 ohne Handy – gut durchgehalten, oder?
Der letzte Tag ohne Handy ist angebrochen. Bisher habe ich – meiner Meinung nach – sehr gut durchgehalten. Jetzt befinde ich mich (vorerst) auf der Zielgeraden meiner kleinen Challenge.
Bis zum Mittag gibt es keine Vorkommnisse zu vermelden. Ich vermisse mein Handy nicht. Nur kurz schalte ich es an, um wieder mal einen Sicherheitscode feierlich in Empfang zu nehmen. Ich muss ja wissen, wie die Aktien stehen und ob ich schon ausgesorgt habe. 😁
Am Nachmittag gehe ich ohne Handy oder Podcast im Ohr im sonnigen Dresdner Winter spazieren. Auf dem Annenfriedhof hole ich meine Kamera aus der Tasche und gebe mich meiner Leidenschaft hin. Ein paar Beweisfotos zeige ich euch hier!


Fazit nach einer Woche Handyverzicht
Mein Fazit nach einer Woche ohne Handy kannst du dir vielleicht schon denken: Was für eine Wohltat!
Ich habe nicht ständig Whatsapp geöffnet, ich habe nicht sinnlos meine Zeit auf Facebook und Instagram “rumgekriegt”, ich habe mir nicht pausenlos irgendwelche Youtube-Videos reingezogen. Stattdessen bin ich in allen Situationen viel bewusster durchs Leben gegangen. 👀
Diese Dauer-Erreichbarkeit und Berieselung macht meiner Meinung nach krank und es würde jedem gut tun, dort gegenzusteuern.
Ich werde dem Handy natürlich nicht komplett abschwören, das ist allein schon aus logistischen Gründen nicht möglich (Stichwort Banking-Apps). Auch für die Arbeit brauche ich ab und an einen Code, um mich auf bestimmten Seiten einzuloggen.
Trotzdem werde ich die ein oder andere App vom Handy löschen. Allen voran Facebook, wo ich eigentlich nichts weiter mache, als in Fotogruppen abzuhängen. Brauch ich nicht mehr auf dem Handy, ich schau einfach mal am Rechner rein. Passiert sowieso nichts Wichtiges. 🤷
Whatsapp fliegt ebenfalls raus. Ich will gar nicht, dass ich rund um die Uhr erreichbar bin. Die meisten Nachrichten können auch ein paar Stunden oder einen Tag warten, wenn ich wieder am PC bin. Eine echte Befreiung!
Außerdem will ich beibehalten, das Smartphone nicht mit aufs Klo zu nehmen. Da geht unglaublich viel Zeit verloren, die ich besser einsetzen kann. Aus dem Bett verbanne ich mein Handy sowieso – das gute alte Buch bzw. das Amazon Kindle* tut es auch.
Hast du schon mal freiwillig das Handy ausgeschalten oder kommst du einfach nicht weg davon? Schreibs mir gerne in die Kommentare.
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